Unter der Schirmherrschaft der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems e.V. (BSH) haben vier Schülerinnen der HS-West aus Delmenhorst unter Anleitung den schuleigenen Garten erkundet und gepflegt.
Dabei wurden nicht nur die Gemüsebeete von den unerwünschten Wildkräutern befreit. Wildpflanzen, Bäume und Insekten wurden auch mit Hilfe von Nachschlagewerken bestimmt.

Das genaue und bewusste Wahrnehmen der Umgebung wurde mit allen Sinnen erprobt und geübt. Es war nicht immer leicht, die Arten anhand von Blütenfarbe oder Blattform zu unterscheiden. So konnte eine fälschlich zunächst als Roteiche zugeordnete Art erst beim zweiten Hinsehen anhand der roten Stielfarbe des Blattes richtig als Scharlacheiche bestimmt werden. Die Zitterpappel konnte sehr klar anhand ihres charakteristischen Blätterrauschens „erlauscht“ werden. Beim Ahorn konnten die Arten Feldahorn und griechischer Ahorn beispielsweise sehr viel deutlicher anhand der Flügelstellung der Samenstände zugeordnet werden, als anhand der Blattform. Waren die Achseln der Blattnerven behaart oder unbehaart? Auch dies konnte mit den Fingern ertastet und mit der Lupe untersucht und somit der Unterscheidung der Arten beitragen. Ein junger Spitzahorn am Gartentor erfreute sich zudem besonderer Beliebtheit. Er wurde von den Helferinnen regelmäßig am Morgen mit einer herzlichen Umarmung begrüßt. Die Schülerinnen verliehen damit der besonderen Stellung des Menschen in der Natur und seiner verantwortungsvollen Aufgabe für die Erde ihren ganz persönlichen Ausdruck.

Eine Überraschung stellte die Entdeckung einer recht unscheinbaren Orchideenart dar. Auf dem lehmhaltigen Boden konnte der „Breitblättrige Sitter“ oder auch „Breitblättrige Sumpfwurz“ unter einem Schattendach aus Weiden, Birken und Pappeln, zwischen Himbeeren und Großer Brennnessel eindeutig bestimmt werden. Die drei Pflanzen wurden mit farbenfroh gestalteten Namensschildern versehen und mit Drahtgestellen vor den notwendigen Mäharbeiten geschützt. Eine Schülerin konnte im Zuge dieser Schutzmaßnahme sogar ihre Furcht vor Spinnen überwinden – eine junge Kreuzspinne hatte in der Nähe der Orchidee ihr Netz gewoben. Durch ein kurzes Gespräch überwog schließlich die Wichtigkeit des Schutzes die Furcht vor der Spinne.

Während der Regentage betätigten sich die Schülerinnen künstlerisch. Unter dem Schutz eines Tarps zeichneten sie Bäume oder fertigten Abdrücke von Blattnerven und Rindenstrukturen an. Auch die Bestimmungsbücher wurden immer wieder genutzt und mit der Zeit wurde die Wissbegier und die Anzahl der Fragen immer größer.
Bei der naturnahen Gartenpflege wurden Wildkräuter nicht einfach weggejätet, sondern als nährstoffliefernde Mulchdecke verwendet. Aus den garteneigenen Tothölzern der Bäume wurden Rankhilfen für die Gurken errichtet. „Die Gurken beißen!“ Gemeint waren die kleinen Stacheln der jungen Früchte und die Härchen der Triebe, die der Pflanze beim Ranken einen besseren Halt verleihen. Eine kurze Erklärung konnte die aufkeimenden Berührungsängste überwinden helfen. Eine Schülerin ließ sich nicht einmal von den hartnäckigen Dornen einer Buschrose abschrecken und regte durch den Rückschnitt der verwelkten Blütenstände neue Knospentriebe an.

Diese beiden Beispiele, ebenso die Überwindung der Spinnenfurcht beim Schutz der Orchideenart, zeigen deutlich, dass das Wissen über die Naturzusammenhänge viele Berührungsängste in Luft auflöst. So kann auch in städtischen Wohnräumen die verlorengeglaubte Nähe zu Mutter Natur wieder erneuert werden. Für die interessierten Menschen bietet dies neue Erfahrungen und Wissenszuwächse und neue und zusammenhängende Lernräume mit allen Sinnen auf, welche das eigene Leben bereichern.
Die naturnahe Gartenpflege umfasst daher nicht nur den Umgang mit Hacken, Rosen- und Astschere, sondern auch die vertiefende Kenntnis von der Natur, die uns diesen Garten ja überhaupt erst bereitstellt.
Trotz des durchwachsenen Sommers fragten zwei Teilnehmerinnen nach einer Fortsetzung der Ferien-Gartenbetreuung. Vielleicht stecken sie ihre Mitschülerinnen und Mitschülern mit ihrer Begeisterung an, sodass die Schulgartenpflege auch in zukünftigen Ferien von der Schülerschaft der HS-West mitgestaltet wird. Eine nichtendende Themenvielfalt der aufgezeigten Lernfelder ist auf jeden Fall garantiert.
Oliver Jakopaschke